Pferde in Romanen

Diesmal waren es meine müden Knochen, die mich inspiriert haben. (Und ich muss mich dafür entschuldigen, dass ich heute erst die deutsche Version erstelle, mir haben genau diese Knochen gestern einen Streich gespielt.) Müde Knochen und Muskelkater sind in der Regel das Ergebnis einer Reitstunde. Ich verbringe diese Stunde normalerweise damit, das Pferd dazu zu bringen, das zu tun, was ich will.  Das ist harte Arbeit. (Ich reite im Englischen Stil, für die, denen das etwas sagt.) Mir ist außerdem wichtig, dass ich mein Pferd so reite, dass es seinen Rücken entlastet und gut geht. Und das ist eben einfach echt Arbeit.

Auge von Lennox

Ich mag seine braunen Augen

Meistens reite ich diesen Fliegenschimmel. Er heißt zwar Lennox, aber ich nenne ihn auch manchmal Mr. Scarface, weil er ziemlich viele Narben im Gesicht hat. Meistens hat er schlechte Laune, aber das ändert sich langsam, wir lernen uns eben immer besser kennen. Lennox ist ein dänisches Warmblut und ein Wallach. Das macht das Leben leichter.

Jede Woche habe ich also die Möglichkeit, meine Erlebnisse beim Reiten mit den Heldentaten zu vergleichen, die Reiter so in Romanen zu vollbringen pflegen, sei es nun in der Fantasy oder anderen Genres. Es ist besser geworden, muss ich ja zugeben. Ich lese nur noch selten, dass Hauptfiguren den ganzen Tag auf ihren Pferden durch die Gegend galoppieren, während sich die armen Tiere von dem Gras ernähren müssen, das sie des Nachts rupfen können. (Wisst ihr noch, wie das mit Winnetou und Old Shatterhand so war? Dabei hätte es Karl May besser wissen können.) Mein Körper lässt es mich jedenfalls wissen, dass ein Tag im Sattel der menschlichen Anatomie nicht gut tut – er streikt schon nach einer Stunde, und zwar pro Woche …

Viele Menschen ahnen gar nicht, dass Pferde sogar recht empfindliche Kreaturen sind. Natürlich sind sie groß, haben starke Beine und große Ausdauer. Aber ihr schwächster Punkt ist ihr Verdauungssystem. Der Darm ist extrem lang. Pferde haben nur einen Magen, im Gegensatz zu dem ausgeklügelten Magensystem der Wiederkäuer, und brauchen daher eine Unmenge Darm, um das Futter aufzuschließen. Dazu ist dieser Darm ausgesprochen leicht durch Futterveränderungen aus dem Takt zu bringen. Und wehe, irgendetwas beginnt darin zu gären. “Kolik” ist das schlimmste Wort überhaupt für jeden Pferdefreund. Es ist schon erstaunlich, wie selten hingegen eine Kolik in Romanen auftaucht. Pferde sind dafür gebaut, von morgens bis abends immer wieder Gras, Blätter und Kräuter zu sich zu nehmen. Das geht natürlich nicht, wenn sie den ganzen Tag über geritten werden. Und schon fällt die schöne Vorstellung vom Pferd als unkompliziertem Transportmittel in sich zusammen.

Der Distanzreiter Sadko Solinski empfiehlt mindestens alle zwei Stunden eine lange Pause. Dazu kommt die mögliche Streckenleistung: Ein gut ausgebildetes und voll trainiertes “Langstreckenpferd” schafft bis zu 50km am Tag. Realistischer sind etwa 30km, jedenfalls mit vollem Gepäck und wenn man nicht ständig die Pferde wechselt. Da erstaunt es schon, dass auch ein Mensch zu Fuß durchaus in der Lage ist, 30km am Tag zurückzulegen – obwohl auch das vom mitgeschleppten Gepäck abhängt.

Übrigens reitet man die meiste Zeit über Schritt. Ein sanfter Trab dient dazu, Strecke zu machen. Galoppiert wird höchst selten, und dann auch nur für fünf Minuten. Man kann am Tag etwa sechs Stunden reiten, natürlich unterbrochen von den nötigen Pausen. Die Pferd brauchen den Rest der Zeit, um sich auszuruhen und zu fressen. Zusätzlich sollte man alle drei bis fünf Tage einen ganzen Tag rasten, damit die Pferde ihre Kraft nicht einbüßen.

(Quelle: “Der Wanderreiter und sein Pferd”, von Sadko G. Solinski, leider nur noch antiquarisch erhältlich.)

So wird hoffentlich deutlich, dass Pferde als Transportmittel einfach nicht mit einem Auto zu vergleichen sind und vielleicht nicht einmal die schnellste Reisemöglichkeit in einer Fantasywelt darstellen. Sogar mit dem Fahrrad wäre man schneller – 100km am Tag sind für einen geübten Radler kein Problem – aber natürlich braucht man dafür Straßen. Das passt also nicht in eine klassische Fantasy-Welt. Mit einem Drachen könnte man bestimmt auch schneller reisen, aber die sind heute nicht Thema.

Mir gefällt ganz besonders das Horse Blog von Judith Tarr, allerdings ist das auf Englisch.

Und für alle Pferdefreunde unter euch gibt’s noch ein Bild von Lennox. Sieht man ihm seine 24 Jahre an? Ich mag den alten Grantler.

Kopf und Hals von Lennox

Er ist nicht gerade eine Schönheit, aber ein prima Lehrer.

 

About Hannah Steenbock

Hannah Steenbock is an author, dreamer, and coach. She has published several short stories in English and German, as well as one novel in German. In 2013 she started self-publishing her work. In 2014, she has won two awards for her short story "Sequoia".
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