Die Sache mit der Zeit

Heute morgen lag ich dösend im Bett und hörte den Glockenschlag des Kieler Rathausturms. Man muss dabei wissen, dass er jede Viertelstunde schlägt, aber nur zur vollen Stunde auch alle Stunden durch”zählt”. Ich hörte nur drei dunkle Schläge und wusste, es ist Viertel vor irgendetwas. (Es war erst sieben… viel zu früh für einen Samstag.)

Und dann musste ich an Fantasy denken. Meistens spielt Fantasy in einer mittelalterlich angehauchten Welt. Man denkt an Bauern, Ritter, Burgen und vielleicht noch an intrigante Königstöchter. Doch wir als Autoren leben in der heutigen Zeit, mit den heutigen Gewohnheiten und vor allem mit dem heutigen Zeitgefühl.

Und daher können manche Figuren in Fantasygeschichten in wenigen Minuten ihr Pferd zu satteln. (Ich brauche dafür ungefähr 20 Minuten, mit Putzen und allem.) Aber es geht nicht nur um realistische Zeitangaben. Die tiefergehende Frage lautet: Wie messen die Menschen Minuten, wenn sie keine Uhren haben? Was für ein Zeitgefühl gibt es da überhaupt? Und wie bringt man das in einer Geschichte ‘rüber?

Im europäischen Mittelalter waren die Kirchenglocken das Maß der Zeit. In der Regel wurde lediglich einmal die Stunde geläutet. Das hat sich sogar in Sprichworten niedergeschlagen. Ich nehme daher an, dass viele Menschen damals ein recht gutes Zeitgefühl für eine Stunde hatten. Trotzdem ist uns, die wir im Takt von Emails, SMS und Twitter leben, eine “langsamere” Art zu leben sicherlich eher fremd. Wie fühlt sich das an, wenn man sein Tagwerk ohne Hetze verrichtet? Ohne Stundenlohn?

Über das Gefühl für das Verstreichen von Zeit hinaus gibt es ein Gefühl für bestimmte Uhrzeiten am Tag. Ich erinnere mich gut daran, dass ich als Kind immer wusste, wann es fünf Uhr nachmittags war, dann mussten wir nämlich aus dem Wald nach Hause kommen. Sicherlich ging das Mönchen und Nonnen genauso, die im fest vorgeschriebenen Rhythmus des Klosters lebten. Selbst Tiere wissen ganz genau, wann es Futter gibt und machen sich bemerkbar, wenn ihr Mensch Verspätung hat. Dieses Gefühl ist sicherlich auch heute vielen Menschen erhalten geblieben und daher durchaus vertraut.

Wie kann man nun aber nun Zeitabläufe in einem Fantasy-Roman darstellen? Wie bringt man unser Zeitgefühl, wo Dinge innerhalb von Minuten oder gar Sekunden ablaufen, in eine mittelalterliche Umgebung, wo diese Zeiteinheiten gar nicht bekannt waren? Wie kann man den gemächlichen Umgang mit Zeit für Geschichten nutzen?

Ich bin auf eure Kommentare gespannt.

About Hannah Steenbock

Hannah Steenbock is an author, dreamer, and coach. She has published several short stories in English and German, as well as one novel in German. In 2013 she started self-publishing her work. In 2014, she has won two awards for her short story "Sequoia".
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